Steckdosenstromkreise mit 1,5 oder 2,5 mm2 Querschnitt verkabeln – eine umfassende Analyse unter Beachtung der Häufung
Dieser Post ist leider sehr lang geworden. Für alle, die das Thema interessiert, aber keine Lust haben, alles durchzulesen, hier eine kurze Zusammenfassung: Steckdosenstromkreise, die mit 1,5 mm2 Querschnitt verkabelt und mit 16A abgesichert werden, entsprechen gängiger Installationspraxis im EFH. Jedoch: Unter Berücksichtigung der Häufung entspricht diese Kombination nicht DIN VDE 0100. Es folgt eine genaue Herleitung dieser Behauptung. Abschließend folgt die Fragestellung, ob und wie ein sicherer Betrieb rechnerisch oder argumentativ dennoch sichergestellt werden kann. Diese Frage findet ihr ganz am Ende dieses Beitrags, über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Die Frage, ob man Steckdosen mit 1,5 oder 2,5 mm Querschnitt verkabeln soll, wurde hier im Forum schon zig Mal behandelt, mit zunehmend ungehaltenem Tonfall angesichts der schieren Menge der Beiträge. Meist kommt man zu dem Fazit, dass sich das nicht pauschal beantworten lässt, es von vielen Faktoren abhängt und eine individuelle Berechnung erfolgen muss. Dann endet die Diskussion oft, allerdings ohne Beispiel für diese individuelle Berechnung unter Berücksichtigung aller Faktoren. An dieser Stelle traue ich mich, den gefühlt hundertsten Thread zum Thema aufzumachen, und mal ganz konkret eine Berechnung durchzuführen.
Allen, die glauben, man könne durch reines Lesen der einschlägigen Normen zu einem Ergebnis kommen, sei gesagt, dass das ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen ist. Denn es bedarf definitiv einer Erläuterung dieser Normen und Hinweisen auf deren korrekte Anwendung. Folgendes Buch kann ich empfehlen, es behandelt das Thema sehr umfassend und für alle denkbaren Anwendungsfälle:
DIN VDE 0100 und die Praxis – Wegweiser für Anfänger und Profis
Gerhard Kiefer/Herbert Schmolke
VDE Verlag GmbH
15. Auflage
ISBN 978-3-8007-3885-4
Leider ist das Buch weniger praxistauglich als der Titel vermuten lässt. Es fehlt ein „roter Faden“, wie bestimmte Probleme zu lösen sind. Immerhin behandelt es die Themen sehr detailliert und gut verständlich.
Auf der Suche nach einer Lösung für die Frage der Querschnittsbemessung bin ich schließlich auf eine Artikelserie in der de (Das Elektrohandwerk – Fachzeitschrift) gestoßen, die das Problem umfassend und systematisch behandelt:
Querschnittsbemessung für Kabel- und Leitungsanlagen
11 Artikel, erschienen in den de-Ausgaben 8.2012 bis 20.2012, insgesamt etwa 40 Seiten.
Diese Artikel-Serie ist im Archiv auf www.elektro.net abrufbar, aber leider Abonnenten vorbehalten. (Tipp: Wen’s interessiert, bekommt für 25,- Euro ein 6-Ausgaben-Abo mit vollem Zugriff auf das Archiv und alle de-Ausgaben seit 1999).
In der Artikelserie wird die Frage der Querschnittsbemessung in einem Flussdiagram mit mehreren Entscheidungsrauten systematisch und umfassend abgearbeitet. Die einzelnen Schritte lauten:
Beispiel: Steckdosenstromkreis mit B16A abgesichert.
Nun lasst uns an folgendem konkreten Beispiel versuchen zu klären, ob eine Wechselstrom-Steckdose mit einer 17 Meter langen Zuleitung, 1,5 mm2 Querschnitt und einer B16A-Sicherung normenkonform betrieben werden kann. Dabei sollen folgende Rahmenbedingungen gelten, die in vielen Fällen bei Euch (und bei mir) zutreffen werden:
Bei Stromkreisen mit Steckdosen kann die angeschlossene Last beliebig wechseln und ist somit im Voraus nicht bekannt. Deshalb ist der Bemessungsstrom der vorgeschalteten Überstrom-Schutzeinrichtung für die Querschnittsbemessung ausschlaggebend, in unserem Fall also 16A.
Schritt 2: Mindestquerschnitt nach mechanischer Festigkeit
Die Festlegung der Mindestquerschnitte nach mechanischer Festigkeit erfolgt gemäß Tabelle 52J DIN VDE 0100-520. Fest verlegte Kupfer-Mantelleitungen in Leistungs-, Steckdosen- und Beleuchtungsstromkreisen: Mindestens 1,5 mm2.
Schritt 3: Mindestquerschnitt nach Schutzmaßnahme
Bei der Schutzmaßnahme »Fehlerschutz durch automatische Abschaltung der Stromversorgung« muss entsprechend Abschnitt 411 DIN VDE 0100-410 sichergestellt sein, dass bei einem Fehler zwischen einem Außenleiter und dem Körper eines Betriebsmittels oder zwischen einem Außenleiter und dem Schutzleiter die
Abschaltung innerhalb einer maximal zulässigen Abschaltzeit erfolgt. In 400/230 V Wechselstromnetzen (TN-System) sind folgende Abschaltzeiten einzuhalten:
- in Endstromkreisen mit einem Nennstrom ≤32A: ta ≤ 0,4 s
- in Verteiler- und Endstromkreisen mit einem Nennstrom >32A: ta ≤ 5s
Um die Abschaltzeiten einzuhalten, darf eine maximal zulässige Schleifenimpedanz im Fehlerstromkreis nicht überschritten werden. Wird der Schutz nicht durch eine Überstrom-Schutzeinrichtung, sondern durch eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (FI) realisiert, ist die Einhaltung der Abschaltzeiten unabhängig von der Schleifenimpedanz immer sichergestellt. Da unser Steckdosenstromkreis mit einem FI abgesichert ist, entfällt die Festlegung des Mindestquerschnitts nach Schutzmaßnahme.
Schritt 4: Mindestquerschnitt nach zulässigem Spannungsfall
Der zulässige Spannungsfall beträgt nach TAB und DIN 18015-1 in Endstromkreisen 3%. Wurde ein Leiterquerschnitt entsprechend der zulässigen Strombelastbarkeit gewählt, so kann davon ausgegangen werden, dass der zulässige Spannungsfall von 3% eingehalten wird, wenn eine Länge von 17 Metern (Wechselstrom) bzw. 34 Metern (Drehstrom) nicht überschritten wird. Werden diese Werte überschritten, sind die maximalen Längen der Tabelle 23 aus DIN VDE 0100 Beiblatt 5 in Abhängigkeit vom Leiterquerschnitt und Bemessungsstrom zu entnehmen.
Schritt 5: Mindestquerschnitt nach der zulässigen Strombelastbarkeit
Der Querschnitt ist grundsätzlich so zu wählen, dass Leitungen an keiner Stelle und zu keinem Zeitpunkt in unzulässiger Weise erwärmt werden. Die maximal zulässige Betriebstemperatur von PVC Ader- und Installationsleitungen (H07V-K, NYM, MYY) beträgt 70°C. Folgende Faktoren haben Einfluss auf die Erwärmung einer Leitung und müssen berücksichtigt werden:
IZ = Ir·Fges bzw. Ir = IZ/Fges
Ir = Fiktive Strombelastbarkeit des Kabel
IZ = Tatsächliche Strombelastbarkeit des Kabels
Fges = Produkt aller erforderlichen Umrechnungsfaktoren
Bei Anwendung mehrerer Umrechnungsfaktoren, muss von den Grund-Tabellen 3 und 4 (DIN VDE 0298-4:2003-08) ausgegangen werden, die sich auf eine Umgebungstemperatur von 30°C beziehen. (Hinweis: DIN VDE 0298-4:2003-08 wurde ersetzt durch die Version 2013-6. Sie enthält für unser Beispiel aber dieselben Werte). Die Anpassung für 25°C Umgebungstemperatur erfolgt mit dem Umrechnungsfaktor 1,06 (die Wärmeabgabe verbessert sich um 6% aufgrund der geringeren Umgebungstemperatur). Den zweiten Umrechnungsfaktor für die Häufung entnehmen wir Tabelle 21. Die Tabelle enthält Spalten von 1 (Faktor 1,0) bis 20 (Faktor 0,38) Leitungen. Welche Spalte wählen wir nun? Bei einer Vorsicherung von 63A und 16A-LSS für die Endstromkreise können maximal 4 Leitungen mit jeweils 16A belastet werden (4 x 16A =64A). Der ungünstigste Fall, der theoretisch auftreten kann, wäre also, dass vier Steckdosenstromkreise, die direkt nebeneinander verlegt sind, voll belastet werden. Bei mehr als vier voll belasteten Stromkreisen mit 16A müsste die Vorsicherung ja nach einer gewissen Zeit abschalten. Der Umrechnungsfaktor für 4 Leitungen beträgt 0,65. Also ergibt sich als Produkt aller erforderlichen Umrechnungsfaktoren:
Fges = 1,06 · 0,65 = 0,689
Somit beträgt die fiktive Strombelastbarkeit des Kabels:
Ir = 16A / 0,689 = 23,2 A
[Edit: Matthias weist in Post #33 korrekterweise darauf hin, dass meine Annahme falsch ist, vier mit je 16 A parallel verlegte Leitungen wären der denkbar ungünstigste Fall wenn die Verteilung mit einem 63 A SLS vorgesichert ist. Richtig ist, dass eine Verteilung nicht nur einen SLS, sondern drei besitzt. Somit wären sogar 12 Leitungen denkbar, die mit je 16 A belastet sind. Am Ergebnis ändert das freilich nichts, die Verkabelung wäre unter Annahme dieser Kombination nicht normgerecht.]
Die Verlegeart unserer Leitungen erfolgt in der Nähe des Verteilers häufig mehrlagig auf Kabelrinnen oder gebündelt in Steigschächten. Die Referenzverlegeart wäre somit C. Aus Tabelle 3 erfahren wird, dass eine NYM-J Leitung mit 1,5 mm2 Querschnitt und zwei belasteten Adern mit maximal 19,5 A belastet werden darf.
Da unsere fiktive Strombelastbarkeit mit 23,2 A über der zulässigen Belastbarkeit von 19,5A liegt, ist die Querschnittsbemessung mit 1,5 mm2 nicht zulässig.
Die Frage, wie man nun zulässige Verhältnisse schafft, ist leicht zu beantworten: Entweder Querschnitt vergrößern (2,5 mm2) oder 10A-Sicherung verwenden oder ein Installationskabel vom Typ NI2XY-J verwenden, welches bis 90°C zugelassen ist oder die Leitungen einzeln verlegen. Das ist aber NICHT meine Frage.
Meine Frage lautet, durch welche Berechnung oder Argumentation kann die vorhandene Installation (Steckdosen-Stromkreis, 1,5 mm2 Querschnitt, B16A-Sicherung) unter Beachtung der Häufung dennoch als zulässig erklärt werden? Schließlich sind solche Installationen zig-fach anzutreffen und durch erfahrene Elektriker abgenommen worden.
Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass eure Elektroinstallationen den Vorschriften entsprechen und eure Elektriker solide Arbeit geleistet haben. Allerdings würde mich interessieren, wie genau sichergestellt wurde, dass es bei Häufung (die kaum zu vermeiden ist) nicht zu Überlastungen kommen kann.
Ich will vorauseilend schon mal ein paar Argumentationen beispielhaft aufzählen, die ich schon gehört bzw. gelesen habe oder die mir selbst einfallen:
Danke an alle, die mir bis hier gefolgt sind!!!
Uli
[Edit: In Post #129 ziehe ich ein Fazit aus der kontroversen Diskussion (Danke an alle Teilnehmer!) und setze die Bemessung des Leitungsquerschnitts gemäß der Schritte 5 bis 9 fort]
Dieser Post ist leider sehr lang geworden. Für alle, die das Thema interessiert, aber keine Lust haben, alles durchzulesen, hier eine kurze Zusammenfassung: Steckdosenstromkreise, die mit 1,5 mm2 Querschnitt verkabelt und mit 16A abgesichert werden, entsprechen gängiger Installationspraxis im EFH. Jedoch: Unter Berücksichtigung der Häufung entspricht diese Kombination nicht DIN VDE 0100. Es folgt eine genaue Herleitung dieser Behauptung. Abschließend folgt die Fragestellung, ob und wie ein sicherer Betrieb rechnerisch oder argumentativ dennoch sichergestellt werden kann. Diese Frage findet ihr ganz am Ende dieses Beitrags, über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Die Frage, ob man Steckdosen mit 1,5 oder 2,5 mm Querschnitt verkabeln soll, wurde hier im Forum schon zig Mal behandelt, mit zunehmend ungehaltenem Tonfall angesichts der schieren Menge der Beiträge. Meist kommt man zu dem Fazit, dass sich das nicht pauschal beantworten lässt, es von vielen Faktoren abhängt und eine individuelle Berechnung erfolgen muss. Dann endet die Diskussion oft, allerdings ohne Beispiel für diese individuelle Berechnung unter Berücksichtigung aller Faktoren. An dieser Stelle traue ich mich, den gefühlt hundertsten Thread zum Thema aufzumachen, und mal ganz konkret eine Berechnung durchzuführen.
Allen, die glauben, man könne durch reines Lesen der einschlägigen Normen zu einem Ergebnis kommen, sei gesagt, dass das ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen ist. Denn es bedarf definitiv einer Erläuterung dieser Normen und Hinweisen auf deren korrekte Anwendung. Folgendes Buch kann ich empfehlen, es behandelt das Thema sehr umfassend und für alle denkbaren Anwendungsfälle:
DIN VDE 0100 und die Praxis – Wegweiser für Anfänger und Profis
Gerhard Kiefer/Herbert Schmolke
VDE Verlag GmbH
15. Auflage
ISBN 978-3-8007-3885-4
Leider ist das Buch weniger praxistauglich als der Titel vermuten lässt. Es fehlt ein „roter Faden“, wie bestimmte Probleme zu lösen sind. Immerhin behandelt es die Themen sehr detailliert und gut verständlich.
Auf der Suche nach einer Lösung für die Frage der Querschnittsbemessung bin ich schließlich auf eine Artikelserie in der de (Das Elektrohandwerk – Fachzeitschrift) gestoßen, die das Problem umfassend und systematisch behandelt:
Querschnittsbemessung für Kabel- und Leitungsanlagen
11 Artikel, erschienen in den de-Ausgaben 8.2012 bis 20.2012, insgesamt etwa 40 Seiten.
Diese Artikel-Serie ist im Archiv auf www.elektro.net abrufbar, aber leider Abonnenten vorbehalten. (Tipp: Wen’s interessiert, bekommt für 25,- Euro ein 6-Ausgaben-Abo mit vollem Zugriff auf das Archiv und alle de-Ausgaben seit 1999).
In der Artikelserie wird die Frage der Querschnittsbemessung in einem Flussdiagram mit mehreren Entscheidungsrauten systematisch und umfassend abgearbeitet. Die einzelnen Schritte lauten:
- Bemessungsstrom, Bemessungsleistung, Leistungsfaktor und Oberschwingungsströme der angeschlossenen Betriebs- und Verbrauchsmittel festlegen.
- Mindestquerschnitt nach mechanischer Festigkeit auswählen.
- Mindestquerschnitt nach Schutzmaßnahme ermitteln.
- Mindestquerschnitt nach zulässigem Spannungsfall ermitteln.
- Mindestquerschnitt nach der zulässigen Strombelastbarkeit ermitteln.
- Aus den nach den Schritten 2 bis 5 ermittelten Ergebnissen den größten Querschnitt auswählen.
- Überlastschutz für den gewählten Querschnitt prüfen und wenn notwendig Querschnitt vergrößern.
- Kurzschlussschutz für den Querschnitt aus Schritt 7 prüfen und wenn notwendig Querschnitt vergrößern.
- Zu verlegenden Querschnitt endgültig festlegen.
Beispiel: Steckdosenstromkreis mit B16A abgesichert.
Nun lasst uns an folgendem konkreten Beispiel versuchen zu klären, ob eine Wechselstrom-Steckdose mit einer 17 Meter langen Zuleitung, 1,5 mm2 Querschnitt und einer B16A-Sicherung normenkonform betrieben werden kann. Dabei sollen folgende Rahmenbedingungen gelten, die in vielen Fällen bei Euch (und bei mir) zutreffen werden:
- Einfamilienhaus mit Keller und zwei Geschossen
- TN-System mit 63A Vorsicherung
- Zentrale Verteilung im Keller, Bus-System mit Aktoren etc. in einem Verteilergehäuse
- Etwa 100 Zuleitungen, die im Verteiler aufgelegt sind.
- NYM-J Leitungen mehrlagig auf Kabelrinnen oder gebündelt in Steigschächten
Bei Stromkreisen mit Steckdosen kann die angeschlossene Last beliebig wechseln und ist somit im Voraus nicht bekannt. Deshalb ist der Bemessungsstrom der vorgeschalteten Überstrom-Schutzeinrichtung für die Querschnittsbemessung ausschlaggebend, in unserem Fall also 16A.
Schritt 2: Mindestquerschnitt nach mechanischer Festigkeit
Die Festlegung der Mindestquerschnitte nach mechanischer Festigkeit erfolgt gemäß Tabelle 52J DIN VDE 0100-520. Fest verlegte Kupfer-Mantelleitungen in Leistungs-, Steckdosen- und Beleuchtungsstromkreisen: Mindestens 1,5 mm2.
Schritt 3: Mindestquerschnitt nach Schutzmaßnahme
Bei der Schutzmaßnahme »Fehlerschutz durch automatische Abschaltung der Stromversorgung« muss entsprechend Abschnitt 411 DIN VDE 0100-410 sichergestellt sein, dass bei einem Fehler zwischen einem Außenleiter und dem Körper eines Betriebsmittels oder zwischen einem Außenleiter und dem Schutzleiter die
Abschaltung innerhalb einer maximal zulässigen Abschaltzeit erfolgt. In 400/230 V Wechselstromnetzen (TN-System) sind folgende Abschaltzeiten einzuhalten:
- in Endstromkreisen mit einem Nennstrom ≤32A: ta ≤ 0,4 s
- in Verteiler- und Endstromkreisen mit einem Nennstrom >32A: ta ≤ 5s
Um die Abschaltzeiten einzuhalten, darf eine maximal zulässige Schleifenimpedanz im Fehlerstromkreis nicht überschritten werden. Wird der Schutz nicht durch eine Überstrom-Schutzeinrichtung, sondern durch eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (FI) realisiert, ist die Einhaltung der Abschaltzeiten unabhängig von der Schleifenimpedanz immer sichergestellt. Da unser Steckdosenstromkreis mit einem FI abgesichert ist, entfällt die Festlegung des Mindestquerschnitts nach Schutzmaßnahme.
Schritt 4: Mindestquerschnitt nach zulässigem Spannungsfall
Der zulässige Spannungsfall beträgt nach TAB und DIN 18015-1 in Endstromkreisen 3%. Wurde ein Leiterquerschnitt entsprechend der zulässigen Strombelastbarkeit gewählt, so kann davon ausgegangen werden, dass der zulässige Spannungsfall von 3% eingehalten wird, wenn eine Länge von 17 Metern (Wechselstrom) bzw. 34 Metern (Drehstrom) nicht überschritten wird. Werden diese Werte überschritten, sind die maximalen Längen der Tabelle 23 aus DIN VDE 0100 Beiblatt 5 in Abhängigkeit vom Leiterquerschnitt und Bemessungsstrom zu entnehmen.
Schritt 5: Mindestquerschnitt nach der zulässigen Strombelastbarkeit
Der Querschnitt ist grundsätzlich so zu wählen, dass Leitungen an keiner Stelle und zu keinem Zeitpunkt in unzulässiger Weise erwärmt werden. Die maximal zulässige Betriebstemperatur von PVC Ader- und Installationsleitungen (H07V-K, NYM, MYY) beträgt 70°C. Folgende Faktoren haben Einfluss auf die Erwärmung einer Leitung und müssen berücksichtigt werden:
- Verlegeart. Siehe DIN VDE 0298-4
- Anzahl der belasteten Adern. In Wechselstromkreisen gelten zwei Adern als belastet. In Drehstromkreisen ist von drei belasteten Leitungsadern auszugehen.
- Umgebungstemperatur. In Deutschland wird bei den Verlegearten A1 bis C und E bis G von einer Umgebungstemperatur von 25°C ausgegangen, wenn keine besonderen Umgebungseinflüsse vorliegen. Den Tabellen A.1 und A.2 aus DIN VDE 0298-4 sind die Strombelastbarkeiten bei 25°C zu entnehmen. Die Tabellen 3 und 4 gehen von einer Umgebungstemperatur von 30°C aus. Um Ergebnisse für 25°C zu erhalten, müssen deren Werte mit dem Faktor 1,06 multipliziert werden.
- Häufung. Eine Häufung liegt vor, wenn mehrere Kabel und Leitungen gemeinsam in einem Rohr, Kanal, Mauerschlitz oder auf der Wand bzw. in Erde verlegt sind, so dass diese sich gegenseitig berühren oder ein Mindestabstand vom zweifachen Außendurchmesser unterschritten ist. In diesem Fall muss die Strombelastbarkeit durch einen Umrechnungsfaktor gemäß Tabelle 21 DIN VDE 0298-4:2003-08 reduziert werden. Die Leiternennquerschnitte dürfen sich dabei höchstens um eine Querschnittstufe unterscheiden. Der Umrechnungsfaktor bezieht sich immer auf einen Dauerbetrieb mit konstantem Belastungsstrom.
IZ = Ir·Fges bzw. Ir = IZ/Fges
Ir = Fiktive Strombelastbarkeit des Kabel
IZ = Tatsächliche Strombelastbarkeit des Kabels
Fges = Produkt aller erforderlichen Umrechnungsfaktoren
Bei Anwendung mehrerer Umrechnungsfaktoren, muss von den Grund-Tabellen 3 und 4 (DIN VDE 0298-4:2003-08) ausgegangen werden, die sich auf eine Umgebungstemperatur von 30°C beziehen. (Hinweis: DIN VDE 0298-4:2003-08 wurde ersetzt durch die Version 2013-6. Sie enthält für unser Beispiel aber dieselben Werte). Die Anpassung für 25°C Umgebungstemperatur erfolgt mit dem Umrechnungsfaktor 1,06 (die Wärmeabgabe verbessert sich um 6% aufgrund der geringeren Umgebungstemperatur). Den zweiten Umrechnungsfaktor für die Häufung entnehmen wir Tabelle 21. Die Tabelle enthält Spalten von 1 (Faktor 1,0) bis 20 (Faktor 0,38) Leitungen. Welche Spalte wählen wir nun? Bei einer Vorsicherung von 63A und 16A-LSS für die Endstromkreise können maximal 4 Leitungen mit jeweils 16A belastet werden (4 x 16A =64A). Der ungünstigste Fall, der theoretisch auftreten kann, wäre also, dass vier Steckdosenstromkreise, die direkt nebeneinander verlegt sind, voll belastet werden. Bei mehr als vier voll belasteten Stromkreisen mit 16A müsste die Vorsicherung ja nach einer gewissen Zeit abschalten. Der Umrechnungsfaktor für 4 Leitungen beträgt 0,65. Also ergibt sich als Produkt aller erforderlichen Umrechnungsfaktoren:
Fges = 1,06 · 0,65 = 0,689
Somit beträgt die fiktive Strombelastbarkeit des Kabels:
Ir = 16A / 0,689 = 23,2 A
[Edit: Matthias weist in Post #33 korrekterweise darauf hin, dass meine Annahme falsch ist, vier mit je 16 A parallel verlegte Leitungen wären der denkbar ungünstigste Fall wenn die Verteilung mit einem 63 A SLS vorgesichert ist. Richtig ist, dass eine Verteilung nicht nur einen SLS, sondern drei besitzt. Somit wären sogar 12 Leitungen denkbar, die mit je 16 A belastet sind. Am Ergebnis ändert das freilich nichts, die Verkabelung wäre unter Annahme dieser Kombination nicht normgerecht.]
Die Verlegeart unserer Leitungen erfolgt in der Nähe des Verteilers häufig mehrlagig auf Kabelrinnen oder gebündelt in Steigschächten. Die Referenzverlegeart wäre somit C. Aus Tabelle 3 erfahren wird, dass eine NYM-J Leitung mit 1,5 mm2 Querschnitt und zwei belasteten Adern mit maximal 19,5 A belastet werden darf.
Da unsere fiktive Strombelastbarkeit mit 23,2 A über der zulässigen Belastbarkeit von 19,5A liegt, ist die Querschnittsbemessung mit 1,5 mm2 nicht zulässig.
Die Frage, wie man nun zulässige Verhältnisse schafft, ist leicht zu beantworten: Entweder Querschnitt vergrößern (2,5 mm2) oder 10A-Sicherung verwenden oder ein Installationskabel vom Typ NI2XY-J verwenden, welches bis 90°C zugelassen ist oder die Leitungen einzeln verlegen. Das ist aber NICHT meine Frage.
Meine Frage lautet, durch welche Berechnung oder Argumentation kann die vorhandene Installation (Steckdosen-Stromkreis, 1,5 mm2 Querschnitt, B16A-Sicherung) unter Beachtung der Häufung dennoch als zulässig erklärt werden? Schließlich sind solche Installationen zig-fach anzutreffen und durch erfahrene Elektriker abgenommen worden.
Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass eure Elektroinstallationen den Vorschriften entsprechen und eure Elektriker solide Arbeit geleistet haben. Allerdings würde mich interessieren, wie genau sichergestellt wurde, dass es bei Häufung (die kaum zu vermeiden ist) nicht zu Überlastungen kommen kann.
Ich will vorauseilend schon mal ein paar Argumentationen beispielhaft aufzählen, die ich schon gehört bzw. gelesen habe oder die mir selbst einfallen:
- Was kümmert’s mich? Mein Elektriker muss ja dafür gerade stehen, wenn was schief geht!
Das lasse ich nicht gelten. Wenn meine Bude abraucht habe ich den Schaden, nicht der Elektriker. Der ist hoffentlich versichert, sonst habe ich ein Riesenproblem. - Häufung ist im Einfamilienhaus generell nicht zu beachten.
Das habe ich schon mehrfach gehört und ist auch Ansicht meines Elektrikers. Leider habe ich noch keine Argumente gehört, auf denen diese Behauptung beruht. In den Normen steht nichts davon. - Häufungen bis zu 1 Meter Länge, wie sie oft beispielsweise im Einführungsbereich von Verteilern auftreten, können unberücksichtigt bleiben.
Diese Aussage stammt aus der Artikelserie in der de 13-14.2012 Seite 84, leider ohne Angabe einer Quelle. In unserem Beispiel soll aber angenommen werden, dass Kabel über eine größere Strecke als 1 Meter parallel geführt werden und sich berühren. - Wir gehen von über 100 Leitungen aus, die im Verteiler aufgelegt sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet vier benachbarte Leitungen mit 16A belastet werden, ist extrem gering. Allein aufgrund dieser geringen Wahrscheinlichkeit ist ein sicherer Betrieb gewährleistet.
Diese Aussage käme der Behauptung „Häufung ist im Einfamilienhaus generell nicht zu beachten“ gleich, ist aber immerhin mit einem Argument unterfüttert. Ginge man von dem ebenfalls recht unwahrscheinlichen Fall aus, dass unter 100 Leitungen nur zwei benachbarte mit 16A belastet werden, dann läge der Umrechnungsfaktor bei 0,8 (Tabelle 21 DIN VDE 0298-4). Die fiktive Strombelastbarkeit Ir beträgt in diesem Fall 18,9 A und ist kleiner als die zulässige Belastbarkeit von 19,5 A. Die Häufung mit zwei voll belasteten 1,5 mm2 Leitungen wäre also gerade noch zulässig. Als Beispiel aus der Praxis wird gerne folgendes Beispiel genommen: Zwei Leitungen im selben Mauerschlitz sind an jeweils eine Steckdose angeschlossen, die für eine Waschmaschine und einen Trockner verwendet werden. Von einer gleichzeitigen Belastung mit hohem Strom muss ausgegangen werden.
Danke an alle, die mir bis hier gefolgt sind!!!
Uli
[Edit: In Post #129 ziehe ich ein Fazit aus der kontroversen Diskussion (Danke an alle Teilnehmer!) und setze die Bemessung des Leitungsquerschnitts gemäß der Schritte 5 bis 9 fort]
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