Zitat von smai
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ich möchte mal etwas ausführlicher auf die Fehlersituationen im Niederspannungsnetz innerhalb von Endstromkreisen in Wohngebäuden eingehen:
Mal angenommen, du bohrst eine Leitung (dreiadrig) zufällig an, welche NICHT über einen RCD geführt wird. Der Ungünstigste Fall wäre folgender; du erwischt durch Zufall ausgerechnet den Aussenleiter als erstes. Somit setzt du für einen Bruchteil der Zeit den Bohrer unter Spannung, weil du durch den Vortrieb und der Drehung des Bohrers in Verbindung mit der wesentlich weicheren Aderisolierung unmittelbar eine zweite Ader beschädigst. Die wird entweder der Neutral- oder der Schutzleiter sein. Beide sind in der Verteilung irgendwo wieder zusammengeführt; ergo fließt sofort der Kurzschlussstrom. Entweder über den Neutralleiter oder den Schutzleiter. Dieser führt unumwunden zur Auslösung des vorgeschalteten Leitungsschutzschalters. Folglich bist du geschützt.
Nun betrachte ich mal die Situation mit RCD: Ich nehme jetzt einfach mal die Situation, dass der Schutzleiter ganz hinten in im Kabel angeordnet ist. Du zermalmst erst den Aussenleiter; je nach Beschaffenheit der Wand ist der Widerstandswert so ungünstig, dass der Fehlerstrom so gering ist, dass über den Bohrer und das umgebende Mauerwerk der Auslösestrom des Fehlerstromschutzschalters gar nicht ausreicht. Daher bohrst du weiter und ebenfalls in einem Bruchteil einer Sekunde wirst du den Neutralleiter treffen, der Kurzschlussstrom kommt zum fließen und der Leitungsschutzschalter löst aus. Der RCD wird auch da nicht zur Auslösung gebracht.
Nur für den Fall, dass das Kabel in der Wand so gedreht ist, dass du nach der Berührung des Aussenleiters den Schutzleiter berührst, dann wird sich der RCD melden.
Wie du in dem Beispiel merkst, ist der RCD kein Allerheilmittel und auch dafür primär gar nicht gedacht. Die Sinnhaftigkeit als solches beschreibt ja die zitierte Norm mit dem Text "durch Laien bedinbare Steckdosen": Diese stellt den Personenschutz bei den handgeführten Geräten sicher, da der "Laie" und selbst auch die Fachkraft nicht unbedingt interne Gerätefehler von aussen sehen kann. Es geht darum, den Benutzer zu schützen, falls das eingesteckte Elektrogerät fehlerhaft ist; oder fehlerhaft eingesetzt und benutzt wird. Und zwar gibt der RCD dann den "Backup-Schutz" für defekte Geräte (bei nur einem Fehler ist der grundsätzlich gar nicht nötig, da andere Schutzmaßnahmen greifen):
Beispiel: Geräte der Schutzklasse 1 (Schutz durch Schutzleiter): Beim ersten Fehler (Gehäuseschluss (Spannung auf dem Gehäuse)) kann sich keine hohe Berührungsspannung ausbilden, weil der an das Gehäuse angeschlossene (niederohmige) Schutzleiter den recht hohen Fehlerstrom führt und den Leitungsschutzschalter abschaltet. Das funktioniert auch ganz ohne RCD. Erst beim zweiten Fehler (Gehäuseschluss UND gebrochener Schutzleiter) würde sich eine gefährliche Berührungsspannung ausbilden, wo dann der der RCD zum Einsatz kommen würde.
Bei Geräten der Schutzklasse 2 (Schutz durch Schutzisolierung) gilt gleiches wie bei dem vorhergehenden Beispiel: Dort gibt es keinen Schutzleiter, dafür aber eine doppelte Isolierung. Wird die Basisisolierung zerstört, kann immer noch keine Spannung am Gehäuse anliegen, da die doppelte Isolierung dies verhindert. Erst bei der Zersörung der zweiten Isolierung wäre ein Berühren von Netzspannung möglich, wobei dann der Schutz durch den RCD greift.
Das beste Beispiel dürfte der Fön in der Badewanne sein. Der Laie umfasst dieses Gerät vollständig und taucht es gegebenefalls in der Badewanne unter. Somit hebt das Wasser die Basisisolierung und die zusätzliche Schutzisolierung parallel auf, und das Wasser wird auf gefährliches Potential gebracht (und das bei umklammertem Elektrogerät... Ist das nun auch noch unglücklicherweise eine Stahlwanne, auf der ich gut geerdet mit meinem Hinterteil sitze, werde ich unfreiwillig zum kleinen Wassererhitzer...
Soweit die technisch Betrachtung. Jeder kann frei entscheiden, ob er zusätzliche Sicherheit wünscht. Aber "viel hilft viel" trifft auch nicht immer zu, sondern sorgt auch sporadisch für ungewollte Fehlauslösungen.
Ich habe mal in einer Statistik die häufigsten Todensursachen im Haushalt gefunden. Da war über Sturz bis Vergiftung alles dabei - letztgenanntes wies als geringste Todesursache (insgesamt waren es über 9000 Tote) 11 Tote im Jahr auf; Unfälle durch Strom waren in dieser Statistik jedoch gar nicht aufgeführt; weil einfach zu gering.
Ich habe in meinen mittlerweile 25 Jahren Berufserfahrung als Elektromeister im Handwerk noch von keinem Todesopfer im Haushalt durch elektrischen Strom erfahren. Daher halte ich manche Sachen an Eigeninitiative oberhalb der normativen Forderungen einfach für übertrieben.
Fazit: Das Sicherheitskonzept in Deutschland zur Installation von Wohngebäuden ist durch die VDE schon sehr gut; wenn das nicht so wäre und Unfälle oder Tod an der Tagesordnung wären, dann würde sich die Verpflichtung zum Einsatz von RCDs mit Sicherheit in ALLEN Endstromkreise schon längst in dem Vorschriftenwerk wiederfinden.
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